- Chemienobelpreis 1978: Peter Dennis Mitchell
- Chemienobelpreis 1978: Peter Dennis MitchellDer britische Biochemiker wurde für seinen »durch die Aufstellung der chemiosmotischen Theorie begründeten Beitrag zum Verständnis der biologischen Energieübertragung« ausgezeichnet.Peter Dennis Mitchell, * Mitcham (England) 29. 9. 1920, ✝ Bodmin (England) 10. 4. 1992; 1951 Promotion in Biochemie an der University of Cambridge (England), 1955-63 Professor am Department of Biology der University of Edinburgh (Schottland), 1964-86 Forschungsdirektor der Glynn Research Laboratories in Bodmin, Cornwall, England.Würdigung der preisgekrönten LeistungGrüne Pflanzen und andere photosynthetische Organismen wandeln mithilfe von Sonnenenergie Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) in Kohlenhydrate um. Diese Photosynthese ist die quantitativ wichtigste biochemische Reaktion auf der Erde. Dadurch wird nicht nur den Pflanzen, sondern auch den Tieren und Menschen das Leben ermöglicht, da diese direkt oder indirekt von den durch Pflanzen produzierten Stoffen leben. Erfolgt durch Photosynthese ein Aufbau organischer Verbindungen, so wird durch Zellatmung ein Abbau dieser Verbindungen zu CO2 und H2O bei gleichzeitiger Freisetzung von Energie bewirkt.Adenosintriphosphat — die universelle Energiequelle des LebensAlle lebenden Organismen benötigen Energie, um biologische Aktivitäten wie Muskelarbeit, Wachstums- und Reproduktionsprozesse sowie Denkprozesse zu bewältigen. Das Adenosintriphosphat (ATP) ist die universelle Energiequelle für lebende Zellen. Diese chemische Verbindung kann enzymatisch in Adenosindiphosphat (ADP) und anorganisches Phosphat (Pi) aufgespalten werden, wobei Energie freigesetzt wird. Sowohl bei der Photosynthese als auch bei der Zellatmung finden Redoxreaktionen statt, die die Energie für die Synthese des energiereichen Adenosintriphosphats (ATP) aus (ADP) und anorganischem Phosphat liefern. Es kommt zu einer Phosphorylierung von ADP. Bezogen auf die Zellatmung spricht man bei diesem Energieübertragungsvorgang von oxidativer Phosphorylierung, bezogen auf die Photosynthese von photosynthetischer Phosphorylierung. Während in Bakterien diese Prozesse direkt mit der Zellmembran verbunden sind, finden sie in Zellen höherer Organismen in membranumschlossenen Organellen statt, die als Mitochondrien beziehungsweise bei grünen Pflanzen als Chloroplasten bezeichnet werden.Die Forschungen nach dem Verbund der Redoxreaktionen, die Elektronentransportreaktionen darstellen, mit der ATP-Synthese wurden anfangs von der Grundauffassung geleitet, dass es energiereiche Zwischenprodukte geben müsse, die die verbindenden Brücken zwischen dem Elektronentransport und den das ATP synthetisierenden Systemen herstellen. Diese Mechanismus-Hypothese bezeichnete man als chemische Kopplung. Die jahrzehntelange Suche nach diesen postulierten energiereichen Zwischenprodukten blieb jedoch erfolglos. Außerdem konnte die Hypothese der chemischen Kopplung nicht erklären, warum das Vorhandensein von Membranen eine Bedingung für die Phosphorylierungsreaktion darstellt.Die chemiosmotische Theorie des Peter MitchellSeit den 1950er-Jahren gab allerdings eine Reihe von Forschern Hinweise, die eine Kopplung auf osmotische Weise in Betracht zogen. 1961 publizierte Peter Mitchell auf der Basis eigener und fremder Forschungsergebnisse die chemiosmotische Hypothese der Elektronentransportphosphorylierung in Form mehrerer Postulate. Diese Hypothese stellte einen starken Widerspruch zur Hypothese der chemischen Kopplung dar. Allein die Feststellung Mitchells, dass bei dieser Phosphorylierung keine energiereichen Zwischenprodukte gebildet werden, löste einen großen Meinungsstreit aus und führte zu weiteren experimentellen Forschungen. Im Ergebnis wandelte sich Mitchells Hypothese zu einer Theorie fundamentaler bioenergetischer Vorgänge.Wesentliche Aussagen dieser Theorie seien am Beispiel der in den Mitochondrien stattfindenden oxidativen Phosphorylierung demonstriert. Mitochondrien bauen sich aus einem Matrixraum, einer inneren und einer äußeren Membran auf. In der Matrix befinden sich neben Teilen des Zitronensäurezyklus Enzyme für den Abbau von Fettsäuren. In die Innenmembran sind zwei räumlich getrennte Systeme eingebunden, die für die oxidative Phosphorylierung von Bedeutung sind. Das sind zum einen mehrere Enzymsysteme der Atmungskette, zum anderen das Enzym für die Synthese des ATP, die ATP-Synthase. Unter Atmungskette versteht man eine Kette von miteinander verbundenen Redoxsystemen mit unterschiedlichen Redoxpotenzialen. Mit der Atmungskette verbinden sich sowohl Protonen- als auch Elektronentransport. Letzlich führen die Reaktionen der Atmungskette zur Oxidation von Wasserstoff zu Wasser, einem energieliefernden Prozess. Im ersten Schritt dieser Reaktionen werden zwei Wasserstoffatome (2H) von einem Substrat aus dem Matrixraum an ein Coenzym der Atmungskette gebunden, das sich an der Matrixseite der Innenmembran befindet. Dieses modifizierte Coenzym tritt durch die innere Membran und gibt danach in den Raum zwischen innerer und äußerer Membran zwei Protonen (2H+) ab. Bei diesem Vorgang werden auch zwei Elektronen gebildet (2H → 2H+ + 2e- ), die von einem in der inneren Membran befindlichen Eisen-Schwefel-Protein aufgenommen werden. Dieser Prozess führt zur Oxidation der beiden Wasserstoffatome und zur Reduktion des Eisen-Schwefel-Proteins. Man spricht von einer ersten Redoxschleife. Bei der normalen Atmungskette gibt es drei Redoxschleifen, sodass von unterschiedlichen Trägermolekülen (Carriern) insgesamt sechs Protonen bei einem Durchgang in den Zwischenraum transportiert oder gepumpt werden. Die beiden anfangs gebildeten Elektronen werden dabei immer wieder für Redoxprozesse genutzt, um am Schluss eines Durchgangs an der Matrixseite der inneren Membran vom Sauerstoff aufgenommen zu werden. Dabei bildet sich ein doppelt negativ geladenes Sauerstoffion, das mit zwei Protonen aus dem Matrixraum zu Wasser reagiert: 2e- + O + 2H+ → H2O. Diese Redoxprozesse liefern Energie, die für die Synthese von ATP verwendet wird. Wie diese Kopplung abläuft, war die Kernfrage.Die chemiosmotische Theorie postuliert, dass die Mitochondrienmembranen für freie Wasserstoffionen (H+) generell undurchlässig sind. Transportmöglichkeiten gibt es für diese Ionen nur an bestimmten, stofflich anders aufgebauten Orten der inneren Membran und dort auch nur in eine ganz bestimmte Richtung. Auf dieser Einbahnstraße gibt es für die Protonen kein Zurück in den Matrixraum. Dadurch entsteht eine unterschiedliche Konzentration von Protonen zu beiden Seiten der inneren Membran. Dieser so genannte Protonengradient führt sowohl zur Ausbildung eines elektrischen (unterschiedliche Ladungsverteilung) als auch osmotischen Potenzials (unterschiedliche Teilchenanzahl auf beiden Seiten der inneren Membran). In Analogie zur Elektrizität führte Mitchell in diesem Zusammenhang den Begriff der Protozität ein. So wie Elektronenströme (Elektrizität) Energie erzeugen können, so sind auch Protonenströme (Protozität) zur Energieerzeugung befähigt. Solch ein Protonenstrom wird genutzt, um ADP in ATP umzuwandeln. Dieser Protonenstrom fließt vom Ort hoher Protonenkonzentration (Raum zwischen innerer undäußerer Mitochondrienmembran) zum Ort niederer Protonenkonzentration (Matrixraum). Dieser Energiestrom verläuft nur durch das in die innere Mitochondrienmembran eingebaute Enzymsystem der ATP-Synthase und wird dort für die Synthese von ATP genutzt. Auf diese Weise wird die chemiosmotische Kopplung zwischen den Redoxprozessen der Atmungskette und der ATP-Synthese hergestellt.A. Neubauer
Universal-Lexikon. 2012.